Der Naturschutzturm – nicht in Schieflage

Die Presse meldete kürzlich, dass der Naturschutzturm der Deutschen Waldjugend in Schieflage geraten sei, ähnlich wie der schiefe Turm von Pisa, weil sich unter dem Fundament Fließsand aus der Eiszeit bewegt habe. Doch das war eine Meldung zum 1. April. Die Deutsche Waldjugend begann 1990 damit, sozusagen als Hausbesetzer, einen ehemaligen Grenzturm als Bauruine in einen Naturschutzturm umzuwandeln, obwohl die Zukunft alles andere als sicher war. Damals gab es noch die DDR und auf die Deutsche Einheit hoffte man. Die kurze Zeit, in dem die Grenztruppen den Turm nicht mehr benutzten, wurde er durch Vandalismus zu einem nacktem Betonskelett: Keine Türen, kaum Treppenstufen, eingeworfene Fensterscheiben, ein defektes Dach ohne Dachrinnen, kein Wasser, kein Strom.
Gemeinsam mit jungen Leuten aus Ost und West – geographisch waren wir aber im Norden Berlins – haben wir einen Leuchtturm geschaffen, der sich über alle Grenzen hinweg mit allen positiven Aktivitäten seinen Bekanntheitsgrad als Symbol der Deutschen Einheit erworben hat. Der Naturschutzturm wurde 2009 als Denkmal des Landes Brandenburg festgeschrieben. Veränderungen können also nicht ohne Genehmigung durchgeführt werden. Doch innen und außen darf alles so bleiben, wie es vom Denkmalamt aufgenommen worden ist. Ein Rückbau war nicht notwendig, es bleibt wie es ist, und das ist gut so.
Helga Garduhn und ich lernten uns damals kennen, führten die jungen Menschen zusammen, die von Anfang an ein Herz und eine Seele wurden. Diese Jugendlichen verdrängten das Grau des Grenzturmes, brachten von sich aus unser DWJ-Zeichen an den Turm. Jeder vorbeikommende Radfahrer und Spaziergänger liest oft laut genug „Deutsche Waldjugend“. Wir finden das gut für die Bekanntheit unseres Vereins.
Nach 25 Jahren haben Helga Garduhn und ich als langjährige Grundstückseigentümer, damals durch die Treuhandanstalt dazu genötigt, unsere hälftigen Anteile an den SDW-Regionalverband Oberhavel und an den SDW-Landesverband Berlin übergeben. Die Waldjugend nutzt aber selbstverständlich von sich aus den Turm weiter für ihre effektive Arbeit mit spannenden Programmthemen an jedem Freitag. Die neuen Grundstückseigentümer, die beiden SDW-Vereine, sowie der Verein DWJ – Naturschutzturm Berliner Nordrand e. V. arbeiten jetzt an der Verbesserung der Zusammenarbeit und Kommunikation. Das kann vertrauensvolle Ergänzungen der Aktivitäten bringen. Bei den beiden SDW-Landesverbänden haben wir sowieso positive Rückkoppelungen.
Seit Anfang des Jahres sind viele neue junge Leute, um die 20 Jahre alt, in den Turmverein eingetreten. Inzwischen sind es fast 40 Mitglieder, davon vier Leute mit einem Bundesverdienstkreuz, eine zuverlässige Horte im DWJ-Landesverband. Solidarität für den Fortbestand haben wir auch aus anderen Ecken der Republik. Man redet nicht viel herum, gründet keine Arbeitskreise, sondern bringt sich mit unglaublich vielen Ideen aktiv ein, verbringt oft Wochenenden am Turm, pflegt die angelegten Biotope, kümmert sich um die nahen flächenhaften Naturdenkmale, diskutiert über umweltpolitische Themen, sitzt gerne lange am Lagerfeuer, besorgt auch neues Feuerholz für die nächsten Feuer aus dem angepflanzten Wald mit 80.000 Bäumchen im damals kahlen Todesstreifen, die jetzt groß geworden sind – forstliche Nachhaltigkeit.
Der Turm ist Treffpunkt, auch für den Bundeswaldläuferrat, wie immer für Schulklassen, verschiedene Gruppen und Organisationen mit Verbundenheit an unserer Natur und der Geschichte der deutschen Teilung, und für Hochzeitsbaumpflanzungen sowie Gedenkbäumen zu runden Geburtstagen, Hochzeitsjubiläen, Taufen von Kindern, Ersatz für Jugendweihe, auch Erinnerung an Verstorbene. Der Turm ist auch Verpflegungspunkt beim 100-Meilen-Lauf auf dem Berliner Mauerweg, wie auch unser Osterlagerzeltplatz bei Potsdam.
Die Zukunft wird spannend. Mit verantwortungsvollen jungen Leuten macht es Helga Garduhn und mir Freude, in Ruhe verantwortungsbewusst nach und nach das symbolhafte Wirken bei der Einheit unseres Landes durch die Deutsche Waldjugend weiter geben zu können. Mit vielen Ideen sind auch wieder einige Gründungsmitglieder, inzwischen gestandene Menschen, dabei. Der Naturschutzturm ist Projekt von Jung und Älter. Auch auf drei Holz-Skiern kommen wir mit drei Vereinen am Naturschutzturm nach Übung und Eingewöhnung zusammen vorwärts – oder?
Das alarmierte Statikbüro „Zinnow & Stöwer“ gab zum Glück Entwarnung für die befürchtete Schieflage. So musste die Stadt Hohen Neuendorf auch nicht die Statikerkosten vom 1. April tragen. Vor allem deshalb, weil die Waldjugend ehrenamtlich so viel Plus in die Stadt und die Umgebung einbringt.
Marian Przybilla, Unser Wald II/2016
Bildquellen:
- Naturschutzturm Berliner Nordrand: mco / DWJ